04. Juni 2025

Der Mythos der rationalen Entscheidung

B2B-Kommunikation gilt als sachlich, B2C als emotional, Employer Branding als sinnorientiert. Diese Aufteilung prägt Strategien, Budgets und Kampagnen. Doch sie basiert auf einem Denkfehler. Menschen verhalten sich nicht modular. Sie lassen ihre Persönlichkeit nicht am Büroeingang zurück und schalten Emotionen nicht aus, nur weil ein Kaufvertrag sechs Stellen hat. Neurowissenschaft und Verhaltensforschung widerlegen seit Jahren das Bild des kalkulierenden Entscheiders. Trotzdem hält sich der Mythos der rationalen B2B-Kommunikation hartnäckig. Zeit für eine Korrektur.

In vielen Marketingabteilungen, Strategiepräsentationen und Agenturbriefings hält sich ein Mythos hartnäckig: Dass Business-to-Business- und Business-to-Consumer-Kommunikation sowie Employer-Branding grundlegend verschieden seien. Als müsste man Entscheider sachlich überzeugen, Konsumenten emotional verführen und Bewerbende mit Purpose ködern. Der Mensch wird dabei in funktionale Rollen zerlegt und die Kommunikation entsprechend modularisiert. Das Ergebnis ist oft ein unverbundenes Markenbild. Während Produktkampagnen versuchen, Vertrauen über Leistung zu erzeugen, tönt aus der Karriereseite das grosse Wir. Und in der B2B-Kommunikation herrscht häufig eine Sprache, die so tut, als gäbe es keine Gefühle, keine Unsicherheiten, keine Eitelkeiten. Als würden Entscheider wie Maschinen agieren.

Der Mensch bleibt Mensch

Diese Vorstellung ist nicht nur veraltet, sie ist schlicht falsch. Der Mensch bleibt Mensch, egal ob er privat konsumiert, im Beruf entscheidet oder sich für eine neue Stelle interessiert. Neurowissenschaft und Verhaltensforschung belegen seit Jahren, dass über 90 Prozent aller Entscheidungen unbewusst getroffen werden. Antonio Damasio zeigte in seinen Studien, dass Menschen ohne emotionale Impulse keine Entscheidungen fällen können. Daniel Kahneman und Gerd Gigerenzer bestätigen das: Was wir als rational empfinden, ist meist nur das nachträgliche Begründen emotionaler Entscheidungen. Der Gedanke, dass B2B rationaler sei, weil mehr auf dem Spiel steht, greift zu kurz. Denn genau das erhöht den emotionalen Druck – und macht Entscheidungen noch persönlicher.

Die strikte Unterscheidung zwischen Business to Business, Business to Consumer und Employer Branding wirkt, als wäre sie naturgegeben. Ist sie aber nicht.

Mehr Köpfe, mehr Emotionen

Ein häufiger Einwand gegen diese Sichtweise lautet: In B2B-Entscheidungen sind durchschnittlich 11,4 Personen involviert, wie Raconteur im 2022 ermittelt hat. Das stimmt. Aber diese Mehrstimmigkeit macht Entscheidungen nicht sachlicher, sondern sozial komplexer. Gruppenentscheidungen sind politisch, nicht objektiv. In ihnen verschiebt sich die Verantwortung. Es wird abgesichert, abgeglichen, abgewogen – weniger aus fachlichen Gründen, mehr aus Sorge um die eigene Position. Wer will sich schon angreifbar machen? Wer will später erklären müssen, warum es nicht funktioniert hat? Deshalb setzen sich nicht die besten Argumente durch, sondern die Entscheidungen, die sich am wenigsten riskant anfühlen. Die persönliche Agenda steht im Vordergrund, nicht das Pflichtenheft.

Woher die Trennung kommt

Die strikte Unterscheidung zwischen B2B, B2C und Employer Branding wirkt, als wäre sie naturgegeben. Ist sie aber nicht. Sie stammt nicht aus der Psychologie, nicht aus der Praxis und schon gar nicht vom Menschen her gedacht. Sie ist ein Produkt von Organisationslogik. Entstanden aus Zuständigkeiten, gewachsen mit Abteilungen, zementiert durch Agenturmodelle und Budgetgrenzen.

Seit den 1970er-Jahren teilen Unternehmen ihre Kommunikation funktional auf: Marketing spricht zum Markt, HR zu Bewerbenden, Corporate zur Öffentlichkeit. Agenturen folgten dieser Logik, spezialisierten sich und entwickelten eigene Disziplinen. Was als interne Effizienz gedacht war, wurde zur externen Fragmentierung. Plattformen wie LinkedIn oder Fachmessen verstärkten das, indem sie Zielgruppen nach Kanälen statt nach Bedürfnissen trennten. So entstand ein System, das auf Verwaltung statt Wirkung optimiert ist. Psychologisch ist diese Trennung nie fundiert gewesen. Sie dient der internen Ordnung, aber nicht der Beziehung nach aussen.

Kommunikation wird dann wirksam, wenn sie Haltung zeigt – und nicht, wenn sie sich verbiegt, nur um Erwartungen zu erfüllen.

Eine Stimme für alle Rollen

Wer diese Dynamik versteht, hört auf, zwischen B2B, B2C und Employer Branding strikt zu unterscheiden. Denn alle drei Felder haben eines gemeinsam: Sie adressieren Menschen. Und Menschen handeln emotional, selbst wenn sie sich für besonders rational halten. Die Unterscheidung in Zielgruppen und Kommunikationsdisziplinen kann sinnvoll sein, solange sie nicht zur Trennung der Markenwahrnehmung führt. Aus Sicht der Empfänger ist die Kommunikation eines Unternehmens immer ein Gesamtbild. Wer sich auf der Karriereseite menschlich und nah zeigt, aber im Vertrieb kühl und distanziert wirkt, schafft einen Widerspruch. Und verliert Vertrauen. Der Mensch unterscheidet nicht nach Kategorie, sondern danach, ob sich etwas stimmig anfühlt.

Schon das Cluetrain Manifest brachte es 1999 auf den Punkt: «Der Mensch war Mensch, bevor er Kunde wurde.» Märkte, so das Manifest, seien Gespräche und keine Zielgruppenmanöver. Gemeint war damit, dass Kommunikation nur dann wirkt, wenn sie Beziehung schafft. Dieser Gedanke ist aktueller denn je.

Klarheit statt Kategorien

Kommunikation wird dann wirksam, wenn sie Haltung zeigt – und nicht, wenn sie sich verbiegt, nur um Erwartungen zu erfüllen. Es braucht keine neue Sprache für jede Rolle, sondern eine klare, wiedererkennbare Stimme. Sie muss nicht laut sein. Aber eindeutig. Menschen merken, wenn Kommunikation ihnen ausweicht. Wenn sie steril bleibt. Wenn sie sich hinter Fachbegriffen oder Plattitüden versteckt. Gerade dort, wo Entscheidungen schwer sind, braucht es Klarheit. Eine klare Tonalität, die Orientierung gibt. Die nicht anbiedert, sondern einlädt. Nicht überhöht, sondern ernst nimmt. Die besten Marken sprechen in einer Sprache, die laut gedacht werden kann: direkt, verständlich, menschlich.

Der Mensch entscheidet

Am Ende ist jede Entscheidung eine persönliche. Ob man sich für ein Produkt, einen Arbeitgeber oder einen Anbieter im Ausschreibungsverfahren entscheidet, der Kontext, in dem man sich diese Frage stellt, spielt in diesem Moment eine untergeordnete Rolle. Die Fragen sind viel menschlicher: Passt das zu mir? Erfüllt es mein Bedürfnis? Will ich das vertreten? Kann ich diese Wahl verantworten? Kommunikation, die diese Fragen antizipiert, erreicht Menschen nicht Rollen. Und genau darum geht es. Kommunikation nicht funktional zu denken, sondern menschlich. Nicht Zielgruppen zu konstruieren, sondern Beziehungen zu gestalten. Nicht Trennung zu verwalten, sondern Verbindung zu ermöglichen. Wer das versteht, spricht nicht für einen Markt. Sondern mit einem Menschen.

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